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Fiat Projekt 102

1943

Gregoire und sein Aluminium-Auto

J.A.Gregoire war ein genialer Fahrwerkskonstrukteur und sehr dem leichten Fahrzeug zugetan. Seine Arbeiten bei Amilcar/Hotchkiss wurden allgemein anerkannt.
1943, noch in der Zeit von Vichy-Regierung, deutscher Besatzung und französischem Widerstand, konstruierte Gregoire in Zusammenarbeit mit der Aluminium Francais einen Kleinwagen und baute auch Prototypen. Dieses, zunächst JAG (J.A. Gregoire), dann AFG (Aluminum Francais - Gregoire) genannte Fahrzeug zeichnete sich nicht nur durch außergewöhnliche technische Konzeption, sondern auch durch seinen außergewöhnlich hohen Anteil an Aluminium Werkstoffen aus. Es war insgesamt auf leichteste Bauweise und simple Ausführung von Karosserie und Innraum ausgelegt.

1944 / 45

AFG für Simca

Nach dem Ende der Besatzungszeit 1944/45 wurde Simca auch von den politischen Strömungen bedroht, die Industrie zu nationalisieren. Die dafür verantwortlichen kommunistischen Minister in der provisorischen Regierung
de Gaulle konnten sich jedoch nur so weit durchsetzen, dass der Automobil-Industrie per Fünfjahresplan vorgeschrieben werden sollte, welche Fahrzeuge zu bauen seien. Renault sollte den 4 CV bauen und Simca und Panhard wurde die Konzession erteilt, den AFG (siehe oben) zu bauen.
Pläne und Zeichnungen mit konstruktiven Details, sowie die Protoptypen des AFG wurden mit erheblichem Presserummel publik gemacht.
- Es war kein Geheimnis, dass dieser Rummel um Gregoires Alu-Auto von der, in Friedenszeiten nicht mehr ausgelasteten staatlichen französischen Aluminium-Industrie initiiert worden war.

Aber es wurde für Fiat daher dringend notwendig, sich intensiv mit dem Gregoire-Auto zu beschäftigen. Zunächst wurde untersucht, unter welchen Umständen und ggf. mit welchen Änderungen das Fahrzeug bei Simca wirtschaftlich in Serie gebaut werden konnte.

Giacosa gefiel die prinzipiell sehr fortschrittliche Konstruktion. Seine eigene intensive Beschäftigung mit der Auslegung eines leichten Frontantriebswagen ließ ihn bei den Machbarkeits-Untersuchungen schnell erkennen, dass ein erheblicher Teil der Chassis- und Fahrgestellteile nicht wie geplant aus Alu sein durfte. Sowohl Festigkeit als auch Kosten sprachen dagegen. Aber die ausgezeichnet gelösten Details bei Aufhängung und Antrieb, sowie das Fahrzeug an sich beurteile Giacosa gut und empfahl, die Gregoire-Konstruktion unter Einhaltung der bei Fiat üblichen Kriterien zu bauen. Fiat Motor und Stahlblechkarosserie werden als Voraussetzung angeführt. In den ersten Zeichnungen war außerdem eine Bodenplatte aus gestanztem Stahlblech statt der zusammengebauten Alu-Gußteile vorgesehen und einige Aufhängungsteile wurden ebenfalls aus Stahl vorgesehen.


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AFG Fahrgestell Nov. 1945

Die Leitung des technischen Büros bei Fiat (A. Fessia *), D. Giacosa) bekam 1943 Fotografien und detaillierte technische Daten über ihre französische Tochter Simca zugestellt. Die Konzeption des Gregoire-Fahrzeugs wurde mit Respekt bewertet und als sehr fortschrittlich bezeichnet. Frontantrieb, Einzelradaufhängung mit variabler Elastizität hinten, luftgekühlter V180° 2-Zylinder Motor mit 594 ccm, Chassis aus gegossenen Alu-Teilen, mit Alu beplanktes Holzgerippe als Karosserie sowie das Gewicht von 400 kg sind einige der technischen Fakten.

*) siehe unten zu Antonio Fessia


Fiat-Entwurf zur Serienherstellung des AFG bei Simca

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1946 - Fiat plant die Zukunft

Im Jahr 1945 wurde beschlossen, neue Projekte nach einem neuen Nummernschema zu bezeichnen. Pkw Projekte begannen mit 100, Nfz mit 200, Busse mit 300 und Stadtbusse mit 400, Traktoren mit 500 und spezielle Entwicklungen mit 600.
Die Pkw-Entwicklung hatte mehrere Projekte in Arbeit.
Der Typ 100 genannte Wagen sollte ein Allroundfahrzeug mit ungefähr 600 ccm sein, die Antriebsart war offen.
Der Typ 101 war die Fortführung der Arbeit an einem Mittelklassefahrzeug mit selbsstragender Karosserie.
Als Typ 102 wurden die Arbeiten am Frontantriebsfahrzeug auf der Basis des Gregoire-Fahrzeugs mit luftgekühltem Motor bezeichnet.

Im Oktober 1949 wurden von der Fiat-Direktion Beschlüsse gefasst, welche neuen Fiat-Fahrzeuge in den Fünfziger Jahren gebaut werden sollten.
Bei den Pkws wurde festgelegt, dass der Frontantriebswagen Typ 102 bis 1949 den Fiat 500 ersetzen sollte, der Typ 101, obwohl größer geplant als der Fiat 1100 sollte die Typen 1100 und 1500 ablösen. Dafür würde ein Typ 103 zusätzlich ins Programm genommen, größer als der 102 aber kleiner als der Fiat 1100. Ein Fahrzeug mit 900 ccm, 4 Sitzen und wasssergekühltem Motor. Die Antriebsart wurde nicht bestimmt.

Der Typ 100, der spätere Fiat 600, hatte also keine Priorität, auch wenn bereits Prinzipskizzen für Frontantrieb, Heckmotor und konventionellem Antrieb gefertigt waren.

Der Typ 101 genoß bei der Direktion aus Prestigegründen Vorrang. Er kam dann auch als Erster der neuen Typen 1950 als Fiat 1400 und etwas später mit stärkerem Motor und luxuriöserer Ausstattung als Fiat 1900 auf den Markt. (siehe auch: Entwicklung Fiat 1400).

   

 


Tipo 100


Tipo 101


Tipo 103

 

1946 - 52

Projekt Typ 102

Die in den Jahren 1943 bis 1945 begonnene Konstruktion eines bei Simca in Serie zu bauenden Fahrzeugs auf Basis des AFG (siehe oben) wurde von Giacosa, der bekannterweise ein Anhänger des Frontantriebs war, zum Anlass genommen, einen leichten Fiat mit Frontantrieb zu planen. Bei den Beschlüssen von 1946 bekam er dann auch grünes Licht für das Projekt 102.

Der Typ 102 sollte ein würdiger Nachfolger von Dante Giacosas erster Konstruktion, dem Fiat 500, werden. Es wurde daher sehr viel und sehr intensive Entwicklungsarbeit geleistet.
Die erste Version (102 E1) hielt sich sowohl in der Bauart das Motors als auch in Art der Achsaufhängungen noch an das Vorbild des AFG. Die Erprobungen des Prototyps zeigten erheblichen Bedarf an weiterer Entwicklungsarbeit.

1948 war allen klar, dass er niemals zum geplanten Zeitpunkt serienreif sein würde. Eilig wurde daher der Fiat 500 C ähnlich dem Simca 6 weiterentwickelt.

In den folgenden Jahren widmete das Team um Giacosa sich weiterhin mit großem Aufwand um die Lösung aller auftauchenden Probleme und die damit verbundene Auslegung und Erprobung verschiedendenster neuer Varianten.

   


Fiat 102 E 1 auf Basis des AFG

 

Und diese Arbeiten zogen sich in die Länge. Alleine die Auswahl und Erprobung von Motoren verschiedener Bauart, der Antriebsvarianten und unterschiedlicher Achsaufhängungen vorne und hinten erforderte intensive konstruktive Arbeit und hohen Fertigungsaufwand für die zahlreichen Erprobungsträger, Prüfstandsmotoren und Fahrzeugprototypen.

An diversen unterschiedlich ausgestatteten Prototypen wurde gleichzeitig erprobt. Es wurde dennoch immer klarer, dass es noch sehr lange dauern würde, bis ein wirklich zuverlässiges und agiles Fahrzeug daraus entstehen würde. Die Forderung des Fahrversuchs, dem es wichtig war, dass die Fahreigenschaften gutmütig und leicht beherrschbar waren, bedeutete für die Fahrwerkskonstrukteure damals noch eine echte Herausforderung, da noch sehr wenig Kenntnis über die Eigenschaften des Frontantriebs vorlagen.

Im Typ 102 wurden neben luftgekühltem 2-Zylinder Boxermotor, 2-Zylinder V180°Motor, liegende und stehende, luft und wassergekühlte 2-Zylinder-motoren auch wassergekühlte Reihen-4-Zylinder (wie im 500 Topolino) und sogar ein V4-Motor erprobt und die meisten Motoren offenbar auch zu Fahrversuchen in Prototypen eingebaut.

   

Fiat 102


Tipo 102 E2 mit 4-Zylinder längs


Der nach den Beschlüssen von 1949 mit hoher Priorität fertig zu entwickelnde Typ 103 wurde parallel zum 102 mit ähnlichen Antriebsvarianten und Motoren erprobt. Der V4-Motor war beim Typ 103 sogar einige Zeit der Favorit.

Die endgültige Version des Typ 103 entstand auf Basis eines Prototyps des 102 (102 E 5) mit moderner Pontonkarosserie.


Basis des späteren Fiat 1100 / Typ 103: der Wagen Typ 102 E5

Dass die Entwicklung des Typs 102 wahrscheinlich nie zu einem serienreifen Ergebnis führen würde, zeichnete sich 1951 ab. Einerseits erfolgte keine Weiterentwicklung mehr, da fast alle Kapazitäten der Entwicklung für den Typ 103 in Anspruch genommen wurde. Andererseits drängte die Direktion darauf, endlich einen serienreifen Prototyp für den Topolino-Nachfolger zu sehen.

Auf Basis des Typs 102 war das aber nicht möglich.

Vosichtig wurden die nebenher weitergeführten Konstruktionen für den Vierzylinder Typ 100 auf den Tisch gelegt und die Berechnungen gezeigt, die aussagten, dass dieses Fahrzeug mit Heckmotor billiger herzustellen war als mit konventionellem Antrieb oder mit Frontantrieb. - Auch der frontgetriebene Typ 102 wäre spürbar teurer geworden als der Fiat 500 C.

Es wurde daher 1951 beschlossen, dass der Wagen Typ 100 der Nachfolger des Fiat 500 C werden solle und zwar in zeitlich kurzem Abstand zum Beginn der Serienfertigung des Typs 103.
- Der Fiat 1100 Nuova ging 1953 in Serie, der Fiat 600 folgte 1954.

Damit war der Typ 102 gestorben. Es war für ihn kein Platz mehr in der Produktplanung.

Es sollte bis 1960 dauern, dass wieder ein Frontantriebs-Fahrzeug auf den Zeichenbrettern bei Fiat war. Als Autobianchi Primula ging der erste serienmäßige Fiat mit Fontantrieb in Serie.

 

   

Aufbauend auf den den Grundideen des Gregoire-Autos wurde Ende der Vierziger Jahre der Panhard Dyna gebaut und - deutlich größer - der 2ltr Hotchkiss-Gregoire, der konstruktiv sehr nahe am Vorbild war. Auch der Ende der Fünfziger Jahre vorgestellte Gregoire Sport (2,2 ltr Boxermotor mit Kompressor, 135 PS) basierte auf den alten konstruktiven Ideen und einem Chassis aus Aluminuim .


Dyna Panhard 120


Gregoire-Hotchkiss 2 ltr 1950


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Antonio Fessia, bis 1946 der Vorgesetzte Dante Giacosas, war wie dieser ein Befürworter des Frontantriebs. Aber er hielt sich mit seiner Meinung zum Frontantrieb sehr zurück, da er zuletzt ohnehin in der Firmenpolitik keinen guten Stand mehr hatte. Im Laufe des Jahres 1946 nahm er entnervt von persönlichen Querelen bei Fiat seine Hut und begann anschließend bei Cemsa, einer Gesellschaft der Caproni Gruppe, die Konstruktion des ersten italienischen Frontantriebs-Wagens, des Cemsa F11. 1955 ging er zu Lancia, wo er nach dem Lancia Flaminia das Frontantriebsfahrzeug Lancia Flavia auf Basis seines Cemsa F11 verwirklichte, dem später noch der Lancia Fulvia folgte.

   

 


Cemsa F11 von Antonio Fessia

 

 

   

 

     


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